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die Umsetzung des Volksbegehrens „Artenvielfalt" im Landkreis

Am 01. August 2020 war es ein Jahr, dass der Landtag das Bayerische Naturschutzgesetz durch zahlreiche neue Regelungen, die durch das Volksbegehren Artenvielfalt angestoßen worden waren, erweitert hatte.

Das Volksbegehren hieß „Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern“. Ein konkretes Motto, „Rettet die Bienen!“ erlangte großen Zuspruch. Auch im Landkreis ND hatten 13,8 Prozent der Wahlberechtigten dafür gestimmt. Das VB hat also auch hier die Zehn-Prozent-Hürde übersprungen.

10.11.2020

Was ist seitdem in der Region für die Artenvielfalt passiert?
„Trotz einer insgesamt schleppenden Umsetzung sind wir nicht unzufrieden, denn durch das Volksbegehren haben die Themen Artenvielfalt und Insektensterben im ganzen Land viel mehr Aufmerksamkeit bekommen und auch bei uns hat sich etwas getan“, bilanziert Günter Krell. „Das Volksbegehren Artenvielfalt hat viel bewegt in Bayern. Allerdings: Die Fluren Bayerns verwandeln sich deshalb noch lange nicht in blühende Landschaften.“

Kommunen, Landwirte und Verbraucher – viele haben im letzten Jahr angestoßen durch das Volksbegehren etwas zum Schutz der Insekten und der Artenvielfalt beigetragen. Auch in Gemeinden bei uns werden manche kommunalen Flächen nun seltener gemäht oder es wurden zügig eigene Blühflächen angelegt, man erkennt die erhöhte Beteiligung von Landwirten an Förderprogrammen für Blühflächen und auch die gestiegene Nachfrage nach Produkten aus dem Ökolandbau.

Es gibt positive Entwicklungen, aber auch noch Defizite auf der örtlichen Umsetzungsebene. Diese vorsichtige Bewertung kann man wagen, obwohl für zahlreiche neue Verpflichtungen keine exakten Daten vorliegen.

Die Umsetzung des neuen Naturschutzgesetzes dürfe man nicht an der Zahl der Blühflächen oder der Blühstreifen messen, meint Günter Krell. Streifen mit Sonnenblumen zwischen Acker und Straße genügen hier nicht, sie stellen sogar eine ökologische Falle dar, da die hier überwinternden Insekten kaum überleben, wenn die Streifen im Winter umgepflügt werden. Es wäre zu einfach und entspräche nicht dem Gesetz, wenn man als Schwerpunkt aufgehübschte Straßenbegleitflächen setzt. Ihr Beitrag zum Insektenschutz ist je nach Verkehrsstärke und Lage fachlich fragwürdig und sie ändern auch nichts an der Negativ-Wirkung von Straßen durch Flächenverlust, Zerschneidung und Tierverlusten im Straßenverkehr. Das Gesetz will wesentlich mehr.

Mit der Annahme des Gesetzes, das seit 1. August 2019 in Kraft ist, hat sich der Freistaat Bayern verpflichtet zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der Artenvielfalt in Flora und Fauna. Die Staatsregierung hat darauf hinzuwirken, die Lebensräume von Flora und Fauna zu erhalten und zu verbessern, um einen weiteren Verlust von Biodiversität zu verhindern.
Hierzu hat die Staatsregierung u.a. das Ziel zu verfolgen, dass die landwirtschaftlich genutzten Flächen des Landes nach und nach, bis 2025 mindestens 20 % und bis 2030 mindestens 30 %, gemäß den Grundsätzen des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden.

Der Landtag bestätigte damit die zentrale Rolle des Ökolandbaus für den Natur- und Ressourcenschutz sowie eine gesellschaftlich erwünschte Tierhaltung.

Mehr Ökolandbau tut Bayern gut.
Wir freuen uns über diese Zielerklärung und diese Absicht, denn mit dem Ausbau des Ökolandbaus können viele der aktuellen Umweltprobleme in der Landwirtschaft durch einen ganzheitlichen Ansatz gelöst werden. Um das jetzt im bayerischen Naturschutzgesetz verankerte Ausbauziel von 30% für den Ökolandbau bis 2030 zu erreichen, müssen die Anstrengungen der bayerischen Staatsregierung jedoch noch weiter verstärkt werden.
Die Staatsregierung muss nun mehr für den Ökolandbau tun.
Das Bayerische Naturschutzgesetz mit dem Ausbauziel 30% Ökolandbau bis 2030 erteilt also hierfür den klaren Handlungsauftrag. Auftrag für wen? (Nicht für den einzelnen Landwirt, der kann und soll mitmachen und die Möglichkeiten des Umstiegs prüfen.)

Wie stellen wir uns das vor?

Das viel genannte Motto „Regional“ allein reicht nicht aus.
Denn das Gesetz verlangt mehr.

Beispielsweise muss ein Bioanteil von mindestens 30% als Vorgabe in der staatlichen bayerischen Außer-Haus-Verpflegung, in Kantinen, in Behörden, Ministerien und bei Veranstaltungen, festgeschrieben werden. Söder selbst: „Ich nenne weiter das Ziel, dass mindestens 50 % der Waren in den bayerischen Kantinen aus regionaler oder ökologischer Erzeugung stammen sollen.“
Um das Potenzial von Kantinen, Mensen und Betriebsrestaurants für den Absatz von Bio-Produkten zu erschließen, bedarf es darüber hinaus auch staatlich finanzierter Zuschüsse für Beratung und Zertifizierung. Ökolandbau und die Verarbeitung von ökologisch erzeugten Lebensmitteln müssen in allen relevanten Ausbildungsgängen fest verankert werden, wie es das Gesetz vorsieht.
Auch Investitionen in Verarbeitungsanlagen, die für die Belieferung von Großverbrauchern notwendig sind, müssen gefördert werden.

Der Ausbau der Öko-Landwirtschaft muss und kann wohl nicht in jedem Landkreis im gleichen Maß erreicht werden, es lohnt sich aber, nachzuschauen, welche Tendenz in der Landwirtschaft in unserem Landkreis erkennbar ist.

Im Landkreis ND werden derzeit 6,2 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche nach Kriterien des Ökolandbaus bewirtschaftet, nach 4,2 Prozent im Jahr 2017. Eine Entwicklung, die wir begrüßen, die muss aber gefördert werden. Steigerungspotenzial ist bestimmt noch da.
Vergleichen mit Lkr PAF, EI, AIC, DON: Alle haben 7 – 8,5 %, also alle unter 10 %.
(Noch ein Vergleich: Lkr. Würzburg liegt bei 15 %, Österreich bei 25 % Ökolandbau)
Auch ein positives Zeichen ist die leichte Zunahme der Wiesenflächen, die nach dem 15. Juni gemäht werden, aber die vorgesehenen 10 % sind noch lange nicht erreicht.
Für eine echte Trendwende wäre eine Ökologisierung der EU-Agrarförderungen entscheidend.

Donauauwald: 2000 Hektar zurück an die Natur?
Höchst erfreut ist der BUND Naturschutz Neuburg-Schrobenhausen über eine positive Entwicklung, nämlich dass die Natur im Donauauwald zunächst zwischen Lechmündung und Neuburg eine große Chance bekommt. Dort darf Natur wieder Natur sein. Im Donau-Auwald zwischen dem schwäbischen Marxheim und der Stadt Neuburg entsteht ein zunächst knapp 1000 Hektar großes Naturwald-Schutzgebiet. Diese neue Schutzkategorie wurde von der bayerischen Staatsregierung für 10% der Staatswälder bei den Zusatzverhandlungen zum neuen Artenschutzgesetz zugesagt.
Es handelt sich um den kompletten staatlichen Auwald zwischen der Lechmündung und dem Neuburger Stadtgebiet. Er dient Landwirtschaftsministerin Kaniber (CSU) zufolge als erster Baustein für das vom Kabinett im Sommer beschlossene, rund 2000 Hektar umfassende Schutzgebiet im Raum von Neuburg und Ingolstadt.

Das erklärte die Landwirtschafts- und Forstministerin schon im Oktober 2019. Der BN begrüßt, dass die Bayerischen Staatsforsten die Bewirtschaftung dort eingestellt und den Wald aus der forstlichen Nutzung genommen haben. Ein Urwald, der sich komplett selbst überlassen bliebe, schwebt der Ministerin allerdings nicht vor. Denn notwendige Maßnahmen des Waldschutzes und der Verkehrssicherheit bleiben erlaubt.
Weitere Staatswälder gibt es zwischen den beiden Städten nicht. Der BN hofft, dass die Verhandlungen über die noch fehlende Fläche zwischen Neuburg und Ingolstadt bald Erfolg haben, damit der hohe ökologische Wert des Auwalds endlich auch in diesem Bereich gesichert werden kann.

Der Biotopverbund hat sich im Landkreis unserer Einschätzung nach real noch nicht verbessert, es fehlen noch die nötigen Konzepte im Landkreis und in den Gemeinden. Wir erwarten hier in den nächsten Monaten deutlich mehr Fortschritte.

Positiv fällt zwar auf, dass entlang von Wegen und Straßen insgesamt extensiver gepflegt wird, doch fehlt der Verbund in die Fläche hinein.

Bei den Gewässerrandstreifen, die nun durch das Gesetz verpflichtend sind, kritisiert der BN vor allem die unzureichenden Vorgaben durch die Ministerien und das immer noch verbreitete Unverständnis des Bauernverbandes: „Anstatt sofort überall auf der Minimalbreite von 5 Meter auf Ackernutzung am Gewässer zu verzichten und diese Fläche für den Biotopverbund und Gewässerentwicklung zu nutzen, haben wir ein Jahr nach Inkrafttreten der Regelung noch viel zu viele Ausnahmen. Außerdem wird ja jetzt erst mal drei Jahre lang kartiert und diskutiert.“

„Leider müssen wir auch feststellen, dass in der Gesamt-Politik im Landkreis kaum eine Trendwende zugunsten der Artenvielfalt erfolgt ist: Nach wie vor bedrohen Planungen wertvollste Lebensräume, ausgewiesene Biotope, sogar Schutzgebiete.“
Es ist bedauerlich, dass die Neuburger Stadtratsmehrheit unbeirrt und der Artenschutzgesetzgebung zum Trotz die Planungen einer neuen Straße durch den Auwald nebst einer weiteren Donaubrücke bei Joshofen verfolgt, obwohl der Nutzen für die Innenstadt fragwürdig ist. Die nächsten acht bis zehn Jahre werden zeigen, wie die bayerische Naturschutzpolitik weiteren Zerstückelungsversuchen im Auwald gegenübersteht.

Auch in Schrobenhausen ist nach Meinung des BUND Naturschutz die vom Stadtrat gewünschte Südwest-Umfahrung in keiner Weise vereinbar mit dem Anspruch der Naturschutz- und Artenschutzgesetzgebung. Wenn es nach den vorliegenden Planungen ginge, müsste die Mehrheit des Stadtrates die Verantwortung für die Zerstörung eines überregional bedeutsamen Bereichs des europäischen Schutzgebietes im Paartal übernehmen. Im ersten Jahr des neuen Naturschutzgesetzes beschäftigen beide Städte sich also mit Projekten, die den Forderungen nach Biotopschutz und Biotopverbund diametral entgegenstehen. Es gibt keine Abkehr von Zerstörungsplanungen.

Ein völlig anderes Konzept, das in Schrobenhausen bisher abgelehnt wurde, könnte vielleicht doch bald im neuen Stadtrat neu diskutiert werden, nämlich der Beitritt der Stadt zur Ökomodellregion Paartal. Mit neuen Mehrheiten böte sich eine neue Chance für die Verbindung der Gemeinden im Landkreis Aichach-Friedberg entlang der Paar bis Hohenwart und Waidhofen. Die Schaffung neuer Ökomodellregionen in Bayern wird vom BUND Naturschutz unterstützt. Sie werden von der Staatsregierung ausdrücklich angeregt als Teil eines „Gesamtpaketes“, in dem die Gemeinden für die Erhaltung der ökologischen Vielfalt in ihrer Region auch als Basis einer zukunftsfähigen wirtschaftlichen Entwicklung zusammenarbeiten sollen.

Neue Impulse bekommt zur Zeit eine Idee, die vom BUND Naturschutz im Landkreis seit Jahren immer wieder vorgetragen und nun von der Staatsregierung noch stärker als bisher gefördert wird: die Gründung eines Landschaftspflegeverbandes, zweckmäßig als Verband im Landkreis Neuburg-Schrobenhausen. Wie vor über 20 Jahren im Landkreis Aichach-Friedberg und vor vier Jahren in Eichstätt bekommt nun ein eigener Verband immer mehr Unterstützer in unserem Landkreis. Er könnte die Pflege der Landschaft und die Verbesserung des Biodiversitätsnetzes und des Biotopverbundes professionell übernehmen und könnte so erfolgreich werden wie in den beiden Nachbar-Landkreisen.

Die zentralen Forderungen des BN für das nächste Umsetzungsjahr für den Landkreis zählt Krell auf: „Wir brauchen noch mehr Schub für einen großflächigen funktionierenden Biotopverbund, mehr Bio in allen Kantinen und allen Veranstaltungen, weniger Pestizideinsatz auf den Äckern, den Einstieg in eine klima-orientierte Sanierung des Donaumooses, das Naturwald-Schutzgebiet zwischen Neuburg und Ingolstadt und weniger Flächenverbrauch, damit wir wirklich eine Trendwende beim Schutz von Insekten und anderen Arten bekommen.“

An den Kreistag und die Gemeinderäte richtet der BN die Bitte, das Thema Biodiversität auch in der Bauleitplanung noch besser zu verankern.
(Gründächer, Blumenwiesen auf Grünflächen, Ast- und Steinhaufen als Tierhotels, Nisthilfen an Gebäuden – es gibt viele Möglichkeiten im Siedlungsbereich, die konsequent genutzt werden sollten.)

Gleichzeitig appelliert der BUND Naturschutz an die Bürgermeister, die Bemühungen für die insektenfreundliche Pflege kommunaler Flächen weiter zu verstärken und die Mittel für die Anschaffung dafür erforderlicher Geräte und Fahrzeuge bereitzustellen. Daher sollte die derzeit noch häufige Mulchmahd, bei der das Mähgut auf der Grünfläche liegen bleibt und die Artenvielfalt durch die damit verbundene Düngung verringert wird, auf extensiv gepflegten Flächen schnellstmöglich beendet werden.

An Landrat Peter von der Grün, die Bürgermeister der Städte und Gemeinden und an die örtlichen Landtagsabgeordneten, Staatssekretär Roland Weigert und Matthias Enghuber richtet der BN die Forderung, sich auch auf überregionaler Ebene für die nötige dauerhafte Finanzierung der Artenschutz-Instrumente und -Berater, für eine Änderung der Agrarpolitik, für ein verbindliches Flächensparziel und eine wirksame Klimaschutzpolitik einzusetzen, um wirklich eine Trendwende beim Schutz der Biodiversität zu erreichen. Dies dient auch dem Wohl des Menschen.

Der BN hat die Umsetzung des Volksbegehrens bayernweit in Form einer Ampel bewertet: www.bund-naturschutz.de/volksbegehren-artenvielfalt-aktueller-stand.html
Günter Krell
Kreisvorsitzender